Informationen für Freund*innen, Nachbarn und Angehörige
So können Sie unterstützen
Freund*innen, Nachbarn oder Angehörige können eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Häuslicher Gewalt einnehmen. Ihr Verhalten kann hilfreichen Einfluss auf die Situation und die betroffenen Personen haben.
Wir möchten Ihnen hier einige Anregungen geben, je nachdem, ob Sie mit der gewaltausübenden Person (Täter*in) oder der von Häuslicher Gewalt betroffenen Person (Opfer) in Kontakt treten können oder wollen.
Als Freund*in, Nachbar*in oder Angehörige erfahren Sie oft als erste von der Zwangslage, in der sich die betroffene Person befindet. Für die Person, die Gewalt erfährt, ist es von großer Bedeutung, dass Sie nicht wegsehen. Andeutungen und Auffälligkeiten können ein Hilferuf sein. Gehen Sie nicht darüber hinweg! In einer akuten Notsituation verständigen Sie bitte die Polizei!
Wenn Sie sich nicht sicher sind, was "normale" Streitigkeiten sind und ab wann Häusliche Gewalt vorliegt, können auch für Sie die Informationen über Formen der Gewalt hilfreich sein.
Die Situation des Opfers
Aus der Perspektive eines/einer Außenstehenden erscheint die "Lösung" häufig einfach. Doch für das Opfer spielen zahlreiche Befürchtungen, Sorgen, Ängste und Hoffnungen eine Rolle, die von anderen oft weder wahrgenommen noch verstanden werden.
In Gewaltbeziehungen ist es geradezu typisch, dass die gefährdete Person das Geschehen sich selbst und anderen gegenüber verharmlost oder leugnet.
Das Verhalten der Opfer erscheint aus Sicht eines/einer Außenstehenden vielfach widersprüchlich.
Verständnis zeigen ist wichtig
In der Regel ist das Opfer hin- und hergerissen zwischen der Angst vor weiterer Bedrohung und Misshandlung sowie der Hoffnung auf Besserung des Täters. Die Situation des Opfers ist nicht so eindeutig, wie von außen angenommen: Stattdessen befindet sich das Opfer oft in einer zwiespältigen Situation. Es bestehen oftmals gleichzeitig Wünsche nach der Bestrafung des/der Täters*in und einer "intakten" Beziehung. Hinzu kommen wirtschaftliche Nöte und Ängste, wenn die Gewalt ausübende Person für das gemeinsame Einkommen verantwortlich ist. Die Opfer haben häufig die berechtigte Angst, dass die Gewalt bei einer Trennung noch schlimmere Formen annimmt und endgültig eskaliert.
Die komplexe Zwangssituation der Betroffenen macht die Hilfe oft nicht einfach. Achten Sie bitte in jedem Fall den Wunsch der betroffenen Person, auch wenn er für Sie als Außenstehende nicht nachzuvollziehen ist.
Auf das Opfer eingehen
Es ist sicherlich für nahestehende Angehörige oder Freunde schwer zu ertragen, wenn ein Mensch nicht direkt die Gewaltsituation verlässt. Aber nur die betroffene Person kann die Entscheidung treffen, weil sie mit den Konsequenzen leben muss.
Selbst gutgemeinte Handlungsanweisungen können den Druck auf verstärken; erleichternd sind dagegen Angebote:
- "Du kannst jederzeit zu mir kommen",
- "Du kannst mich jederzeit anrufen"
- und der Hinweis auf professionelle Unterstützung.
Das Wissen, dass es jemanden gibt, an den sich das Opfer vertrauensvoll wenden kann, bietet in dieser schwierigen Situation wichtige Unterstützung und Sicherheit.
Folgendes Vorgehen hat sich als hilfreich erwiesen:
Informieren über Hilfsangebote:
Teilen Sie Informationen über lokale Unterstützungsdienste, Frauenhäuser, Beratungsstellen oder Hotlines für Häusliche Gewalt. Ermutigen Sie die betroffene Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Gemeinsame Sicherheitsplanung:
Wenn die betroffene Person dazu bereit ist, können Sie gemeinsam einen Sicherheitsplan entwickeln. Dies könnte das Festlegen von Notfallkontakten, das Verstecken von wichtigen Dokumenten oder das Planen von Fluchtrouten beinhalten. Bieten Sie eventuell auch an, dass das Opfer (mit den Kindern) zu Ihnen flüchten kann oder dass Sie sie im Notfall auch abholen.
Ermutigen zur professionellen Hilfe:
Motivieren Sie die betroffene Person, sich an professionelle Berater*innen, Therapeut*innen oder Anwält*innen zu wenden, die Erfahrung mit Häuslicher Gewalt haben.
Diskret bleiben:
Respektieren Sie die Privatsphäre der betroffenen Person und handeln Sie diskret. Vermeiden Sie es, ohne Einverständnis Informationen weiterzugeben.
Dranbleiben:
Bleiben Sie in Kontakt und signalisieren Sie, dass Sie weiterhin unterstützend zur Seite stehen. Häusliche Gewalt kann ein langwieriger Prozess sein, und das Opfer braucht möglicherweise Zeit, um Entscheidungen zu treffen.
Fazit
Letztendlich hat die betroffene Person die Kontrolle über ihre Entscheidungen. Die Rolle von Freund*innen, Angehörigen oder Nachbarn besteht darin, Unterstützung anzubieten und die betroffene Person zu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Freund*innen, Nachbarn und Angehörige können dazu beitragen, das Thema Häusliche Gewalt aus dem gesellschaftlichen Dunkelfeld zu holen und so zu einer Enttabuisierung beizutragen.
Hier sind einige Schritte, die Sie unternehmen können, falls Sie einen aktuen Fall von Häuslicher Gewalt beobachten oder vermuten.
Sicherheit priorisieren:
Sollten Sie Zeuge oder in Kenntnis von akuter Gefahr sein, rufen Sie sofort die Polizei. Sicherheit hat höchste Priorität.
Distanz wahren:
Halten Sie selbst Distanz zur gewaltausübenden Person, um Ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. Direktes Eingreifen kann die Situation verschärfen.
Nachbarn informieren:
Falls Sie sich sicher fühlen, könnten Sie andere Nachbarn informieren, um ein Netzwerk des Bewusstseins und der Unterstützung zu schaffen. Dies sollte jedoch mit Vorsicht und unter Wahrung der Privatsphäre erfolgen.
Professionelle Hilfe empfehlen:
Ermutigen Sie die gewaltausübende Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie zum Beispiel Therapie oder Beratung. Geben Sie Informationen zu geeigneten Diensten weiter.
Die Ermunterung gewaltausübender Personen zur professionellen Hilfe sind entscheidende Schritte, um einen Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten.
Sprechen Sie den/die Täter*in auf Ihren Eindruck an, ohne von Vornherein zu verurteilen, denn Sie kennen die Person ja auch ganz anders. So besteht am ehesten die Chance, jemanden dazu zu bewegen, das eigene Verhalten zu hinterfragen und sich gegenenenfalls Hilfe zu holen.